Das Rückenmark ist aber keine lokal und funktionell isolierte Einrichtung, sondern es ist in vielfältiger Weise über verschiedene Nervenbahnen mit dem Gehirn verknüpft.
Efferente, absteigende Nervenfasern
Propriozeption
Ataxie kann also durch Schädigung der aufsteigenden oder absteigenden Nervenbahnen bedingt sein, oder auch durch Schädigung beider Systeme. Die folgende Abbildung soll die Komplexität der Nerven- und Gefäßversorgung im Bereich der Halswirbelsäule darstellen. Eine weitergehende Erläuterung ist für das Verständnis des Gutachtens nicht notwendig (C = cervical = Halswirbel).
Je nach Ausgeprägtheit der Ataxiesymptome unterscheidet man eine Ataxie 1. bis 4. Grades:
1. Grades = fein sichtbar
2. Grades = mild
3. Grades = mäßig
4. Grades = stark
Bei der zerebralen Ataxie des Pferdes liegen die Ursachen der Bewegungsinkoordination im Groß-, Zwischen- oder Mittelhirn. Auslösende Faktoren sind eine Verletzung (Trauma) oder ein infektiöses Geschehen, wie zum Beispiel die Herpesviruserkrankung.
Bei der zerebellaren Ataxie sind Funktionsstörungen zu beobachten, die vom Kleinhirn ausgehen, z.B. Kontrolle der Muskelspannung (Muskeltonus), des Gleichgewichtes und auch die Kontrolle aller motorischen Funktionen.
Die spinale Ataxie wird auch Wobblersyndrom bei Pferden genannt. Man bezeichnet es als Wobblersyndrom, weil viele Pferde unter Belastung einen wackeligen(wobbly) Gang zeigen. Der Begriff Wobbler sollte als allgemeiner Begriff, quasi eine Zustandsbeschreibung/Überbegriff, verstanden werden, und nicht schon als eine näher definierte Ursache für das „Wackeln“. Die spinale Ataxie kann mehrere Ursachen haben und kann durch Veränderungen ausgelöst werden, die zunächst einmal ganz allgemein zwischen dem 1.Halswirbel und dem Kreuzbein des Pferdes lokalisiert sein können (siehe Abb. 3).
– Missbildungen der Halswirbel
– Einengung des Rückenmarkkanals
– und Kompression des Rückenmarks.
Der Begriff CVM steckt also in dem Begriff CVSM mit drin. Im Folgenden wird der Begriff Wobbler synonym verwendet mit dem Begriff CVSM. Oft sind die Hinterbeine mehr betroffen, weil die Nervenbahnen, die die Hintergliedmaßen versorgen im Rückenmark mehr an der Oberfläche liegen und dadurch eher von der Kompression geschädigt werden.
Der Begriff „Wobbler“ wird hier also automatisch gezielt gleichgesetzt mit einer Schädigung im Halswirbelbereich und nicht in anderen Segmenten des Rückenmarkkanals. Die CVSM (cervical vertebral stenotic myelopathy) ist die klassische Form des Wobbler Syndroms und ist die am häufigsten vorkommende, nicht-infektiöse (nicht-ansteckende) Ursache für die spinale Ataxie des Pferdes. Bei der CVSM treten die ersten Symptome meistens im Alter von 6 Monaten bis 3 Jahren auf. Es werden aber auch ältere Pferde im Alter zwischen 4 und 20 Jahren als an einer CVSM leidend erkannt.
Bei jüngeren Pferden (Jährling) kommt die Kompression oft nur zustande, wenn der Hals gebeugt oder gestreckt wird und dadurch mehr Stress auf die Zwischenwirbelbereiche ausgeübt wird, meist zwischen dem 3. und 4. oder 4. und 5. Halswirbel. Es handelt sich also um eine dynamische (nur unter Bewegung) ausgelöste Kompression. Bei geringgradig älteren Pferden (2-4 Jahre oder älter) tritt die Kompression unabhängig von der Halsbewegung auf (statische Kompression), sie ist quasi immer vorhanden und betrifft dann meistens die Bereiche des 5. und 6. Halswirbels, bzw. 6. und 7. Halswirbels. Die statische Kompression resultiert aus einer Osteoarthritis (gleichzeitige Knochen- und Gelenkentzündung) der Gelenkfortsätze und einer Umfangsvermehrung der die Gelenkfortsätze umgebenden Weichteile. Weiterhin werden als mögliche Ursachen eine OCD (Osteochondrosis dissecans), eine unausgeglichene Ernährung, oder auch eine erbliche Veranlagung diskutiert. Bis heute wurde keine einzelne Ursache identifiziert, immer ist es eine Kombination von Faktoren. OCD: die Osteochondrosis dissecans ist eine degenerative Erkrankung des Gelenkknorpels. Durch Entwicklungsstörungen des Knorpels und seiner knöchernen Unterlage entstehen lose Knorpelstückchen (freie Fragmente) und deutlich an der Gelenkfläche hängende, teilweise abgelöste Knorpelfetzen. Die OCD entsteht also während der Wachstumsphase.
Die Halswirbelsäule des Pferdes wird von sieben Halswirbeln gebildet. Jeder dieser Wirbel besteht aus dem Wirbelkörper, dem Wirbelbogen und den Wirbelfortsätzen. Gemeinsam bilden die Wirbelkörper und Wirbelbogen den Wirbelkanal. Zwischen den einzelnen Wirbelkörpern befinden sich die Zwischenwirbelscheiben.
Die ersten beiden Halswirbel ermöglichen die Kopfbewegungen und unterscheiden sich daher in ihrer Form vom Bauplan des 3. bis 7. Halswirbels.
Der Bauplan des dritten bis fünften Halswirbels ist weitgehend ähnlich. Die Wirbelkörper werden jedoch von vorne nach hinten kürzer. Im Bereich der Wirbelbögen sind die paarigen Facettengelenke für die gelenkige Verbindung der Wirbel zuständig. Jeweils der hintere Gelenkfortsatz des einen Wirbels bildet mit dem vorderen Gelenkfortsatz des folgenden Wirbels ein Facettengelenk. Bei diesen Gelenken handelt es sich um Schiebegelenke, in denen die Bewegung parallel zu den Gelenkflächen stattfindet. Die Gelenkflächen sind groß, oval und abgeflacht.
5 = Knochenfortsatz nach oben
6 = Knochenfortsatz zur Seite
9 = hintere Gelenkfortsätze
10 = vordere Gelenkfortsätze
Es werden verschiedene Missbildungen der Halswirbel bei jungen Pferden beschrieben, aber klinische Anzeichen können erst mit Verzögerung auftreten. Vermutlich wird dabei eine schon bestehende Schädigung des Rückenmarkkanals durch ein Trauma (Verletzung) verstärkt, so dass die Schädigung klinisch relevant wird und mit erkennbaren Anzeichen einhergeht.
Folgende charakteristische Formen der Halswirbelmissbildung werden beschrieben:
Stern:
Schwarze Balken:
Winkel:
Gekrümmte Pfeile:
Verlängerung des oberen Wirbelbogens nach oben.
Die Ursachen des Wobbler-Syndroms sind wie schon erwähnt mannigfaltig, die exakte Ursache ist nicht bekannt. Weitere Ursachen für spinale Ataxie sind Virus-, Protozoen-, oder Parasitenerkrankungen, Umfangsvermehrungen/Wucherungen (Tumor) und Brüche im Bereich des Rückenmarkkanals. Männliche Tiere sind häufiger betroffen als weibliche. Der Grund dafür ist nicht vollständig bekannt. Unter Umständen haben die unterschiedlich produzierten Hormone einen Einfluss auf die Wachstumsrate und auf das Entstehen orthopädischer Erkrankungen. Klinische Anzeichen treten plötzlich auf oder entwickeln sich allmählich und können sich mit der Zeit verschlechtern. Größere Tiere mit einem langen Hals sind bevorzugt betroffen (prädisponiert).
Diagnose
Vorbericht
Klinische neurologische Untersuchung
Wichtig ist die Beantwortung zweier Fragen:
a) Wo sitzt der Schaden?
b) Was hat den Schaden verursacht?
Es ist schwieriger leichte Unregelmäßigkeiten am Gangwerk der Vorderbeine zu erkennen, weil das Pferd in der Lage ist diese mit seinem Sehvermögen auszugleichen. Das funktioniert aber nicht im Bereich der Hinterbeine.
Sway test
Rückwärtsrichten
Haltungskorrektur/Überprüfen der Stellreflexe
Hopping Test
dies ist ein Test zur Überprüfung von Schwächen im Bereich der Vorderbeine. Ein Vorderbein wird aufgenommen und man lehnt sich gegen das Pferd, so dass es gezwungen ist auf dem anderen Bein zu hüpfen
Bergauf-bergab
Führen des Pferdes bergauf und bergab auf einer Schrägen verdeutlicht und verstärkt in den meisten Fällen die Gangbildveränderungen
Übergänge
Weitere Symptome
b) Schwanken während sie laufen(nicht aber im Stand der Ruhe)
c) Übergreifen mit den Hinterhufen auf den Ballenbereich des Vorderhufes mit Verletzung des Ballens.
d) In der kreisförmigen Bewegung wird die Ataxie sichtbar in dem die Pferde mit der jeweils äußeren Hintergliedmaße einen übertrieben hohen und weiten Bogen beschreiben und häufig über die eigenen Vorderbeine stolpern,
e) Abnormes Abnutzen der Zehen
f) übertriebene Bewegungen des Schweifes im Trab
g) bunny hopping im Galopp (kaninchenähnliches Hüpfen im Galopp)
h) übertriebenes Beugen der Hinterbeine beim Halten
i) Aussenrotation der Hinterzehen beim Bergauflaufen
j) überschießende Bewegungen der Vorderbeine und/oder Einknicken der Hinterbeine, wenn der Kopf angehoben ist
k) ungleiches, spastisches, übertriebenes Gangbild
l) Steifer Hals oder verringerte Hautsensibilität im Halsbereich
m) unterschiedliche Schritt- bzw. Trittlänge
n) Schwierigkeiten beim Überwinden einer Stufe oder einer Schrägen, die Pferde schlagen an der Stufe an oder Stolpern
Das Führen in einem engen Kreis ist vermutlich der sensibelste, klinische Test um die Normalfunktion der weiter oben beschriebenen aufsteigenden und absteigenden Nervenfasern zu überprüfen.
Röntgen
Abb. 10: C5 bis C7 unruhige Konturen an den Gelenkfortsätzen von C6/C7 und Strukturveränderungen des Knochens, die Randbereiche sind nicht glatt und die Knochendichte ist sehr unterschiedlich (rot markierter Bereich)
Abb. 11: Unruhige Konturen und Strukturveränderungen mit unterschiedlicher Knochendichte im Bereich der Facettengelenke (rot markierter Bereich)
Abb.12: OCD am hinteren Gelenkfortsatz von C5(blau markiert, es ist eine ca. erbsengroße, rundliche Verschattung zu sehen) und unruhige Konturen an den Gelenkfortsätzen von C6/C7(rot markiert), im Normalbefund haben die Facettengelenke glatte, klar abgrenzbare Randbereiche.
CSF-Test
Myelographie (Darstellung des Rückenmarkkanals mittels Kontrastmitteluntersuchung)
Behandlung
a) diätetische Maßnahmen
b) Einschränkung des Bewegungsradius
c) Medikamente
d) Chirurgische Behandlung durch Fusion zweier Halswirbel